Interview

Interview // mit Liliana Le Hingrat

Als das Buch “Das dunkle Herz der Welt” erstmalig in der Vorschau des Verlages und auf historischen Buchseiten auftauchte war für mich klar: Dieses Buch muss ich lesen. Die Thematik ist bislang kaum in historischen Romanen verarbeitet und bietet Stoff für viele gemütliche Leseabende. 


Auf der Frankfurter Buchmesse konnte ich die Autorin treffen und besprach mit ihr soviele interessante Dinge, so dass sich im Nachgang noch dieses tolle Interview ergab.

© Sonja Kochmann

 

© Sonja Kochmann

 

Du hast Geschichtswissenschaften studiert. Was
war Dein Lieblingsthema?
Am meisten
liebe ich die Recherche. Ich war schon immer neugierig. Deswegen habe ich neben
dem Vorlesungsstoff oder der Pflicht-Fachliteratur noch mehr gelesen, um die
„pikanten“ Informationen zu finden … das gewisse „Etwas“.
Besonders
das Mittelalter hat mich fasziniert. Es ist die Zeit, als in Europa
entscheidende Ereignisse stattfanden, die unsere Geschichte bis heute prägen ….
Wenn nicht sogar unser Schicksal. Denn seitdem hören wir Worte wie Heiliger Krieg oder Djihad  … egal in welcher
Sprache. Aber es ist nicht nur das. Hunderte von Burgen und Prunkschlösser quer
durch die Europa faszinieren uns bis heute mit ihren Geschichten. Wir haben
dieser Epoche viel zu verdanken, wie beispielsweise die Gotik und die
Renaissancearchitektur. Ich denke, deswegen sind so viele Mittelalter-Fangruppen
entstanden. Die Mittelalter-Fans „erleben“ diese Zeiten mit Herz und Seele in
ihren Aktivitäten wie: sich auf Mittelaltermärkten zu treffen, Ritterspiele zu
veranstalten, um historischen Personen schauspielerisch zu verkörpern. So sind
auch die Leser von historischen Romanen.
Gerade
deswegen ist es in meinen Augen so wichtig, in meinem Roman nicht nur die
historischen Ereignisse neu erlebbar zu machen, sondern auch die Schicksale der
Menschen zu zeigen. Sie haben uns mit ihren Geschichten etwas Wertvolles
hinterlassen: Unsere Gegenwart!
Wer oder was hat Dich zum Schreiben gebracht?
Wolltest Du schon immer Autorin werden?
Ja, ich
wollte schon immer Bücher schreiben. Was oder wer mich zum Schreiben gebracht
hat? Mit Sicherheit war es mein Vater. Er hat historische Romane geliebt. Ich
werde nicht vergessen, wie er uns, als wir Kinder waren, daraus vorgelesen hat.
Hier möchte ich ein „Danke, Papa!“ meinem Vater im Himmel senden und ihm
zuwinken.
Bereits
während meines Studiums der Geschichtswissenschaften spürte ich die Faszination
von historischen Traktaten, originalen Urkunden und den möglichen Geschichten,
die zwischen den geschriebenen Fakten im Verborgenen zu schlummern schienen.
Und ich hatte das größte Glück, wunderbare Professoren und Dozenten zu haben.
Sie waren begnadete Erzähler. Ihre Vorträge glichen imaginären Zeitreisen in
die Vergangenheit, die so lebendig dargestellt wurden, dass sie mich bis heute
begleiten und beim Schreiben inspirieren.
Die
Schreiberfahrung, die ich als freiberufliche Journalistin einer rumänischen
Tageszeitung gesammelt habe, hat mir diese Aufgabe erleichtert.
Woher kam die Idee für das Buch?
Die
Leidenschaft für die Geschichte und der Drang, die Biographie von Vlad Dracula
anders zu erzählen, ihm die mystische Aura, die ihm Bram Stoker verliehen
hatte, zu nehmen und gleichzeitig Unterhaltung mit wahren historischen Fakten
zu verbinden, fühlte sich wie eine Aufgabe an. So las ich als Studentin das
erste Mal über den Vater des legendären Vlad Dracula: Vladislav Draco Basarab.
Denn Draculas Geschichte beginnt nicht erst mit jenen Gräueltaten, die ihm den
Beinamen „Der Pfähler“ eingebracht haben. Sie beginnt mit dem Streben seines
Vaters Vladislav nach dem walachischen Thron …
Wie lange dauerte das Schreiben?
Das kann
ich nicht genau definieren. Allein die Zeit am Schreibtisch zu betrachten,
während man tippt, finde ich es ungenügend. Man schreibt an dem Buch, auch dann
während man kocht oder im Stau steht. Ständig denkt man an die Romanfiguren und
wiederholt im Kopf eine Szene oder einen Dialog, bis es passt. Und das geschieht
unbewusst. Man steht nachts auf, weil man den perfekten Cliffhanger „geträumt“
hat. Daher für mich hat die Schreibzeit mit der Idee begonnen und sie ist mit
der Abgabe der Druckfahne an Verlag beendet worden. Insgesamt zehn Jahre!
Wie verläuft ein Arbeitstag bei Dir?
Ein
Arbeitstag als Autorin verlangt sehr viel Disziplin, das ist schon klar. Ich
habe nun zwei Mustertage:
Quelle: Liliana Le Hingrat / Himmerod
1.
Muster: Schreiben zu Hause
Zuerst muss
ich richtig wach werden, und das geht nur mit viel Kaffee und lauter Musik. In
dieser Zeit erledige ich alle erforderlichen Hausarbeiten, denn ich will nicht
an sie denken, während ich am Schreibtisch bin. Mit klarem Kopf kann ich mich
hundertprozentig in meine Geschichte und ihre Romanfiguren versetzten. Mittag-
oder Abendessen gibt es nur, wenn mein Magen knurrt oder Mann und Kinder mit
Messer und Gabeln auf den Tisch klopfen. Wenn ich in meinem Buchprojekt
versinke, dann vergesse ich die reale Welt.
Und wenn
ich nicht schreibe, dann lese ich. Ich lese viel und ich lese gerne. Es sind
nicht nur die Fachbücher oder historische Fachzeitschriften. Ich lese sehr
gerne die historischen Romane meiner Kolleginnen und Kollegen. Wir alle sind
die Nachfahren der „Geschichtenerzähler“ oder der „Minnesänger“ aus dem
Mittelalter, die ihre Lieder von Dorf zu Dorf und vom Mensch zu Mensch
weitergetragen haben.
Quelle: Liliana Le Hingrat / Himmerod
2.
Muster: Schreiben im
Kloster der Himmeroder Abtei
Hier ist es
einfacher:
Aufstehen –
Frühstück im Parlatorium – Schreiben
Mittagessen
im Parlatorium – Schreiben
Abendessen
im Parlatorium – Schreiben und Lesen, bis die Augen von allein zu fallen.
Zwei
Wochen, jeden Tag!
In der
Abtei Himmerod habe ich die fruchtbarste Schreibzeit und Inspiration.
Dorothea Kenneweg hat für Dich lektoriert. Ihr
habt beide verschiedene Muttersprachen. Wie war die Zusammenarbeit?
Bis heute
genieße ich die Zusammenarbeit mit Dorothea. Ich glaube, so etwas findet und erlebt
man nur ein Mal im Autorenleben.
Ich habe
damals eine einfache Anzeige auf Xing gestartet, dass ich auf der Suche nach
Lektoren und Verlagen bin … und ich hatte Angst, dass sich tatsächlich
jemand meldet. Es waren in der Tat viele, die geantwortet haben. Aber nur die
Nachricht von Dorothea war persönlich. Sie hat gezielt nach meinem Buchprojekt
gefragt. Ob das Manuskript schon fertig sei? Welches Genre? Ob es mein erstes
Manuskript ist? Was mich bewegt hat zu schreiben? … usw. Es waren viele und
schöne Fragen, so dass ich mich entschieden habe, sie anzurufen. Wir haben uns
auf Anhieb gut verstanden. Aber ich wollte sie unbedingt persönlich treffen und
mit ihr alle Themen „live“ besprechen. Einige Wochen später flog ich nach
Berlin, um über unsere Zusammenarbeit zu sprechen. Ich werde es niemals
vergessen! Aus „Arbeitskolleginnen“ sind wir inzwischen Freundinnen geworden.
Dorothea
hat ein besonderes Gespür für das Zwischenmenschliche einer Geschichte und die
Charakterentwicklung. Sie hat mich immer wieder auf „den roten Faden“ der
Dramaturgie aufmerksam gemacht.
Ich schätze
unsere Gespräche sehr, besonders die, die mich aus einem „Schreibloch“ oder
einer Blockade rausholen. Sie hat es immer geschafft!
Dass wir
beide verschiedene Muttersprachen haben, hat uns beide weitergebracht, denn wir
beide haben etwas voneinander zu lernen oder zu erfahren gehabt. Und das ist
schön. Wir leben eben in einer multikulturellen Gesellschaft … so wie „Das
dunkle Herz der Welt“ nun einmal ist.
Ich habe das Gerücht von einer Fortsetzung
gehört. Kannst Du schon etwas verraten?
Ungerne,
denn schon das Wort „verraten“ klingt für mich „verräterisch“ meinen
Romanfiguren gegenüber. Ich kann nur so viel sagen: Auch in dem Folgeband
bleibt das Thema der Balkanische Rosenkrieg. Es wird ein Geflecht von
historischen Konflikten mit unerwarteten Wendungen sein, dargestellt von
starken und berühmten Persönlichkeiten, wie Vlad Draculea, Matthias Corvinus,
Sultan Mehmet der Eroberer, Eneas Silvio Piccolomini, dem späteren Papst Pius
II.,  und vielen anderen, deren
persönliche Geschichte wir miterleben werden.
Und der Schauplatz? Das
blutige Europa des 15. Jahrhunderts … mehr kann und darf ich nicht verraten.
Du engagierst Dich für den Erhalt und die
Restaurierung von Kirchen in Deinem Heimatland. Erzähl uns davon und hast Du
ein paar Bilder für die Leser?
Mit
meinem Roman „Das dunkle Herz der Welt“ wollte ich deutschsprachige Leser auch
auf die deutsche Minderheit aus Rumänien aufmerksam machen und zeigen, dass
diese Völker historisch seit Jahrhunderten verbündet sind. Die Kirchenburgen
aus Transsylvanien sind aufgrund ihrer Architektur einmalig in Europa. Es ist
traurig mitzuerleben, wie diese historischen Spuren der deutschen Minderheit in
Rumänien dem Zerfall und der Vergessenheit preisgegeben sind, denn ihre Kultur
hat die Geschichte Rumäniens über Hunderte von Jahren geprägt.
Nur
leider leben seit der Revolution von 1989 immer weniger Siebenbürger Sachsen in
diesem Land. Es gibt verlassene deutsche Dörfer, evangelische Kirchburgen, die Einsturz gefährdet sind, sowie verwahrloste Friedhöfe, wo man Namen wie Müller,
Schuster, Weber oder Maier auf den Grabsteinen lesen kann. Dieses kulturelle
Erbe droht verloren zu gehen. Mit meinem Roman möchte ich daher auch ein
Zeichen setzen, die Geschichte dieser deutschen Minderheit in Rumänien bekannt
und damit neu erlebbar machen.
Mein
Herz schlägt für das Projekt der Kirchenburg Dobring:

Folgende Links kennzeichnen wir gemäß
§ 2 Nr. 5 TMG als Werbung:
https://www.kulturerbe-kirchenburgen.de/
Quelle: Liliana Le Hingrat / Alexander Kloos

 

Aber
lassen wir lieber die Bilder darüber sprechen, die mit freundlicher Genehmigung
von Herrn Alexander Kloos hier veröffentlicht werden dürfen.
Hier
appelliere ich an alle Leser, die ein Herz für Geschichte haben! Nur mit einer
kleinen Spende können wir so viel erreichen, wie zum Beispiel Zement für Mörtel
zu kaufen oder ein Steingrab zu reparieren. Jeder Euro zählt.
Diesbezüglich kontaktieren Sie bitte
Herrn Kloos von
Kulturerbe Kirchenburgen e.V. – Verein
für den Erhalt der Kirchenburgen in Siebenbürgen
Am Vogelgesang 29, 67657 Kaiserslautern, Deutschland
email: alex.kloos@buero75.de
Quelle: Liliana Le Hingrat / Alexander Kloos

 

Quelle: Liliana Le Hingrat / Alexander Kloos
Wer ist Dein Lieblingsschriftsteller?
Ich habe
diese Frage gefürchtet. Es gibt so viele Autoren, die ich gerne lese. Nur einen
Schriftsteller oder eine Schriftstellerin zu nennen, wäre ungerecht den anderen
gegenüber, deren Bücher ich genauso so sehr schätze.
Dennoch,
ich habe tatsächlich einen Lieblingsautor: Alexandre Dumas. Ich liebe seinen
D’Artagnan bis heute und besonders den Bösewicht Kardinal Richelieu.
Was ist Dein Lieblingsbuch?
Auf
Rumänisch heißt Abecedar
…freiübersetzt: Das ABC-Buch. Damit habe ich in der ersten Klasse das Lesen
erlernt. Ohne dieses Buch hätte ich nicht schreiben und lesen können.
Aber wenn
ich nur ein einziges Buch nennen müsste, würde ich sofort sagen: „Das dunkle
Herz der Welt“ … denn es ist mein Kind. Welche Mutter liebt nicht ihr Baby
bedingungslos?
© Sonja Kochmann
Willst Du zukünftig auch in verschiedenen
Genres Bücher schreiben?
Ganz klar: Nein! Ich bin Autorin aus Liebe zur
Geschichte geworden. Es gibt so viele spannende Ereignisse und interessante
historische Persönlichkeiten, über die ich noch gerne Romane schreiben würde.
Zeit muss man haben und gesund bleiben …
Welche/n Autor/in würdest Du gerne mal
treffen? Welche Frage würdest Du stellen?
Bram
Stocker. Und die Frage wäre: Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht, aus
einem walachischen Fürst einen transsylvanischen Vampir zu machen?
Die Antwort
habe ich in meinen umfassenden Recherchen gefunden 😉 . Daraus ist die Idee
für einen weiteren Roman entstanden. Aber alles zu seiner Zeit.
Das nenne ich Cliffhanger in einem Interview. Nun bin ich und hoffentlich auch Ihr gespannt auf die nächsten Werke von Liliana Le Hingrat. Vielen Dank für die Einblicke und hoffen wir, dass die ein oder andere Kirchenburg Unterstützung findet, um vor dem Verfall bewahrt zu werden.

 

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