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Interview // Almut Schnerring – Flausch

Vor Kurzem bekam ich “Flausch” in die Hände, ein Bilderbuch aus dem Carlsenverlag, in dem sich inhaltlich etwas ganz Besonderes verbirgt. Ich habe bei der Autorin mal nachgefragt:

Gibt man „Flausch“ in das Internetsuchfeld einer großen Suchmaschine ein, bekommt man zahlreiche Treffer aus verschiedenen Bereichen. Assoziieren tut man etwas Niedliches und Jennifer Coulmann hat dies auf Deinem Buchcover auch so dargestellt. Wer oder was ist Flausch?

Flausch mag sich nicht in eine Schublade stecken lassen. Es wehrt sich gegen Zuordnungen, weil sie ihm alle zu eng sind. Es kann ja schwimmen und fliegen, ist mal weich mal stachelig, seine Farbe ändert sich, es macht, was ihm Freude macht und nicht das, was andere erwarten. Und das stellt die anderen Wesen auf der Waldlichtung vor eine Herausforderung.

© Almut Schnerring

Woher kam die Idee zu diesem Kinderbuch?

Mich beschäftigt, dass wir Kinder schon vor Geburt einordnen wollen. “Was wird es denn?” ist die häufigste Frage, die Schwangere hören, mit “Was ist es denn?” kommen Kinder in dieser Welt an. Was macht das mit uns? Und warum schaffen wir es nicht, Kinder ERST kennenzulernen, und DANN festzustellen: “Ach guck, es verhält sich eher ruhig / wild”, “Oh wie schön, es interessiert sich für… ?

Und was ist die rosa-hellblau Falle?

Die Rosa-Hellblau-Falle® ist ein Begriff, den ich zusammen mit Sascha Verlan mit unserem gleichnamigen Sachbuch 2014 eingeführt habe. Wir wollten damit das Phänomen des ‘Gender Bias’ (verzerrte, stereotype Wahrnehmung in Bezug auf Geschlecht) anschaulich benennen können, und wir freuen uns, dass er sich als Hashtag und alltägliche Bezeichnung durchsetzen konnte. Inzwischen wird er von vielen benutzt, die über enge Rollenvorbilder schreiben, die sich mit Familienmitgliedern über klischeehafte Kommentare oder Geschenke u.ä. unterhalten, oder die sich generell mit uns dafür engagieren, dass Kindern mehr Wahlfreiheit zugestanden wird, jenseits von rosa-hellblauem Schubladendenken.

Welche Rolle oder Schublade ärgert Dich persönlich am Meisten?

Eins meiner drei Kinder wurde in wirklich JEDEM Elterngespräch durch die ganze Schulzeit hinweg immer in die “Sie ist eben ‘ne Schüchterne”-Schublade gesteckt. Durchaus wohlwollend, aber immer als Defizit gemeint: “Wir wissen ja, dass Du eher ne Ruhige bist, musst dich eben mehr melden”. Das hat mich im Lauf der Jahre zunehmend beschäftigt. Auch auf andere Zuschreibungen und Normen bezogen: denn wie können Erwachsene von einem Kind Änderung erwarten, wenn sie es doch immer und immer wieder in dieselbe Schublade stecken? Und welche Eigenschaft ist eigentlich bei wem akzeptiert und welche bei anderen … …wiederum nicht?  Jedenfalls fand ich bei Spielplatzgesprächen immer faszinierend, dass manche Eltern ihre Kinder anscheinend sehr genau charakterisieren können, bzw es einfach unreflektiert tun: Also meiner ist ja ein Ruhiger”, Ich hab ne total Wilde”… Zum einen konnte ich das bei meinen nicht, weil sie zuhause anders sind als bei Fremden, weil sie mit drei anders sind als mit acht. Und zum anderen habe ich mich ab dem Punkt, als mir das aufgefallen war, sehr bemüht, es selbst nie zu tun.

Kannst Du durch einen Spielzeugladen schlendern ohne kritisch die Augen zusammenzukneifen?

Nein, und schon gar nicht, ohne laut zu lachen und mich zu wundern 😀 Ich mache dann jedes Mal Fotos, teile meinen Grusel auf Instagram, und freue mich, mit meiner Kritik an sterotypen Zuschreibungen und absurden Klischees nicht (mehr) alleine zu sein.

Gendergerechte Erziehung ja, aber wie sieht es mit dem Gendersternchen aus?

Seit ich diese eine Studie* gelesen habe, die belegt, dass Kinder sich weniger stereotyp und dafür viel individueller und freier für Berufe interessieren, wenn man sie ihnen nicht im generischen Maskulinum vorstellt, seitdem spreche und schreibe ich mit Stern. Ich nenne es aber nicht gendern, sondern ent-gendern. Denn ich will ja genau das: den Fokus wegnehmen von der männlichen Norm hin zur Wahlfreiheit. (https://idw-online.de/de/news632492)

Wer oder was hat Dich zum Schreiben gebracht? Wolltest Du schon immer Autorin werden?

Ich habe das Schreiben beim Hörfunk angefangen und arbeite schon seit dem Studium als Radiofeature-Autorin und -Produzentin. Das sind einstündige, collagierte Produktionen zu einem bestimmten Thema, das durch Interviews, Musik, Autorinnen-Texte, Zitate, Geräusche usw. anschaulich vermittelt wird. Und das mache ich eigentlich immer noch: Themen so vielfältig und bunt aufbereiten, dass Menschen mehr darüber erfahren wollen, auch wenn sie selbst keine Studien lesen möchten. Nur dass ich inzwischen neben Radiosendungen auch Vorträge, Veranstaltungen, Poster, Sach- und Bilderbücher mache.

Wie stehst Du zu Buchreihen? Bist Du davon begeistert, oder magst Du lieber Einzelbücher? Flausch muss bestimmt noch ein paar Abenteuer meistern…oder?

Flausch ist mein erstes Bilderbuch. Das erste Manuskript war deshalb viel zu lang und ich musste viele Ideen rauswerfen. Also klar, das wäre wunderbar, wenn Flausch in neuen Geschichten auf Reisen gehen könnte. Ob das möglich sein wird, hängt davon ab, ob die flauschige Baumhaus-Party so vielen gefällt, dass sie mehr dazu lesen wollen. Rückmeldungen gerne an den Carlsen-Verlag 😉 Fürs erste kann ich das Flausch-Poster empfehlen, das ich mit Jennifer Coulmann umgesetzt habe: ein großes Wimmelbild mit Flausch & Co, dazu 10 kurze Texte, die das Thema Normen und Zuschreibungen aus der Geschichte nochmal aufgreift: rosa-hellblau-falle.de/flausch

© Almut Schnerring

Vielen Dank. Ich drücke die Daumen für neue Flausch Abenteuer und verfolge Deinen Instagramaccount weiter, mit interessanten Fotos zur rosa-hellblau-Falle.

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Interview // Charlotte McGregor (Carin Müller) – Highland Happiness

Als absoluter Fan von Ausflügen ins literarische Schottland (für einen echten in live und Farbe hatte ich leider noch keine Gelegenheit) habe ich neulich mit einer Freundin einen schottischen Abend mit drei Autorinnen der writing sassenachs besucht. In der Pause kam ich mit Carin Müller ins Plauschen und wir beschlossen, anlässlich der Highland Happiness Reihe ein neues Interview zu machen:

© Sonja Kochmann

Wie kam es, dass aus Highland Hope Highland Happiness wurde?

“Highland Hope” ist der Reihentitel der ersten Staffel, die bei Heyne erschienen ist. Mit “Highland Happiness” habe ich die Regie selbst übernommen, das wollte ich mit einem geänderten Reihentitel dokumentieren. Aber überall ist Kirkby drin.

Deine Werke sind untereinander verknüpft. Erklär doch mal grob wie. Gibt es da bald einen Stammbaum.

Haha, so ein Stammbaum wäre eine Idee … Muss ich mal drüber nachdenken, wie ich das realisieren kann. Geplant waren die Verknüpfungen übrigens nicht, sondern sie haben sich so ergeben. Es fing alles mit Ian Stewart an, der seinen ersten Auftritt als Nebenfigur in meiner “Hot Chocolate”-Reihe hat, die es in dieser Form gar nicht mehr gibt. Ich mochte ihn so sehr, dass ich ihn zum Protagonisten von “San Francisco Millionaires Club – Ian” gemacht habe. Natürlich spielt er auch in den anderen “Millionaires Club”-Geschichten mit und auch in “Robin – High in the Sky” – schließlich ist er der Bruder von Robin.

Und als ich dann mit der Kirkby-Reihe begonnen habe, war irgendwie klar, dass er dort seine Wurzeln hat. Er ist der Cousin der vier Protagonisten aus den “Highland Hope”-Büchern und hat dort ebenfalls Gastauftritte.

Es gibt aber noch eine andere Verknüpfung – nämlich unter den drei Gordon-Geschwistern. Die älteste Schwester Pippa ist die Protagonistin in “Island Dreams – Der Garten am Meer”, der nächstjüngere Bruder Dominic spielt die Hauptrolle in “Insel der Wale – Lausche den Klängen meiner Seele” und der Jüngste Sean Gordon lebt in Kirkby. Seine Geschichte liest man in “Highland Happiness – Die Töpferei von Kirkby”.

Vermutlich kann ich mich einfach nur ganz schlecht von liebgewonnenen Figuren trennen und lasse sie deshalb immer wieder auftauchen. Ich mag das total. Aber ich möchte auch betonen, dass die jeweiligen Geschichten alle unabhängig voneinander lesbar sind und man keinerlei Vorkenntnisse braucht.

„Robin – High in the Sky“ wurde von Dir neu aufgelegt. Bei mir schlummert noch die alte Ausgabe. Wie unterscheiden sich die Bücher nun? Welches soll ich lesen? Denn bei „Swap the Romance“ gab es ja jetzt die neue Ausgabe…

Sie unterscheiden sich so gut wie gar nicht. Nur in winzigen Details. So habe beispielsweise die Formulierung “ich stamme aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Inverness” geändert in: “Ich stamme aus Kirkby, einem kleinen Dorf in der Nähe von Inverness”.  Und die eine explizite Erotikszene habe ich minimal entschärft, aber das ist alles. Es ist also völlig egal, welche Version du liest.

Wer steckt hinter „writing sassenachs“ und wie kam es zur Gründung?

© Sonja Kochmann

Hinter den “Writing Sassenachs” stecken sieben Autorinnen, die eine Leidenschaft für Schottland teilen. Initiiert hat es Rena Fischer Anfang 2021, als sie Mitstreiterinnen für eine gemeinsame Schottland-Lesung auf der Leipziger Buchmesse gesucht hat. Die fand dann ja bekanntermaßen nicht statt, aber wir haben uns gedacht, dass wir ja auch in der virtuellen Welt schöne Dinge zusammen machen könnten. Mit im Team sind neben Rena Fischer und mir (als Charlotte McGregor) noch Karin Müller (die mit “K”!), Susanne Oswald, Constanze Wilken, Jeanine Krock und Daniela Vogel.

Ich arbeite mich gerade durch die Folgen des Podcast „ Der literarische Saloon“, den Du zusammen mit Christian Raabe betreibst. Ihr hattet gerade die 100. Folge: Herzlichen Glückwunsch. Wie kam es zur Zusammenarbeit und über welche Themen dürfen wir uns noch freuen?

Hui, da steht dir ja noch einiges bevor. Viel Spaß dabei! Es war, wie so Vieles in meinem Leben, eine recht spontane Idee. Ich hatte Lust auf einen eigenen Podcast, hatte die vage Vorstellung über Bücher reden zu wollen, aber nicht alleine. Also habe ich mich auf die Suche nach einem Mitstreiter gemacht – und ihn in Christian gefunden, den ich aus unserer gemeinsamen Zeit mit dem “Autorensofa” kannte. Da wir uns auf die Flagge geschrieben haben über “das Lesen, das Schreiben und den ganzen Rest” zu plaudern, werden wir das sicherlich auch in den nächsten 100 Folgen tun. Es wird jedoch auch mehr Interviews geben und natürlich müssen wir unseren gemeinsames Krimiprojekt “Appletree Murders” fortführen.

Hörst Du selbst auch Podcasts?

Mit großer Begeisterung!!! Bevorzugt True-Crime- und Autoren-Podcasts.

Auf dem schottischen Abend und im literarischen Saloon hast Du zugegeben, gern zum Einschlafen u.a. Cosy Crime zum Einschlafen zu lesen. Was sind Deine Favoriten?Als Fan der Royals kann ich Dir da S J Bennett und C C Benson empfehlen.

S.J. Bennett finde ich auch ganz großartig! Ich mag auch die “Aunt Dimity”-Reihe von Nancy Atherton, die Katzenkrimis von Rita Mae Brown und lese auch sonst alles mögliche, was mir vor die Flinte kommt. Richtig nett sind auch die “Biene Hagen”-Krimis von Vera Nentwich.

Aber Du  verfolgst ja auch genau das Geschehen in England. Hast Du Harrys Buch inzwischen ganz gehört und wie ist Deine Meinung dazu?

Selbstverständlich habe ich es fertig gehört – in Rekordzeit. Und ich habe auch eine explizite Meinung dazu. Die habe ich in einem recht ausführlichen Artikel beschrieben, der mit folgendem Fazit endet: “Für mich ist »Spare« oder »Reserve« eine sehr gut geschriebene Biografie, in der Hörbuchversion von Harry durchaus auch unterhaltsam, aber unterm Strich vor allem eine ziemlich traurige und, zieht man allen »Pomp and Circumstance« ab, auch schrecklich banale Lebensgeschichte. Habe ich es bereut, mich damit befasst zu haben? Nein. Was bleibt: Mitgefühl.” Wenn dich der gesamte Artikel interessiert, findest du ihn hier: https://carinmueller.de/blog/2023-01-30/ach-harry

In Kirkby und auch bei Dir zu Hause geht es tierisch zu. Welche Tiere werden noch dazu kommen? Ein Esel vielleicht?

Esel gehen natürlich immer! Wenn ich könnte, würde ich auch einen Esel haben – oder besser gleich mehrere. Privat bleibt es wohl bei unserem Airedale Terrier Scotty, der allerdings über einen hohen Unterhaltungswert verfügt.

© Carin Müller

Hast Du selbst Alpaka Produkte oder Schottenmuster im Kleiderschrank?

Logo! Diverse Pullis (zum Teil selbstgestrickt) und ein wunderbares, kuscheliges Tartan-Plaid.

Wie kam es zur Verbindung von Kirkby mit Tapua? Warst Du schon einmal dort? Welche Reisen planst Du zur Recherche? Und wie recherchierst Du, wenn Du noch nicht da warst?

Tapua ist ein fiktives äthiopisches Dorf, in dem eine Szene aus “Highland Happiness – Die Töpferei von Kirkby” spielt. Leider war ich noch nie in Äthiopien, würde das Land aber wahnsinnig gerne mal bereisen. Die Verbindung in der Geschichte bot sich an, weil Sky Forrester, der sich mit Töpfer Sean Gordon anfreundet und der die männliche Hauptfigur in “Robin – High in the Sky” ist, dort lange gelebt hat.

Explizite Recherchereisen mache ich übrigens selten. Meist verliebe ich mich auf einer Privatreise in einen Ort (z.B. Vancouver Island) und komme dann erst später auf die Idee, Geschichten dort spielen zu lassen. Dank Google Maps und dem Internet sind Recherchen ja überhaupt kein Problem mehr. Es gibt kaum einen Ort oder Landstrich, über den es nicht reichlich Foto-/Video- und Textmaterial gibt.

„Das Herrenhaus von Kirkby“ thematisiert die Krankheit Endometriose. Eine Krankheit die leider kaum beachtet wird, obwohl sie bei Betroffenen das ganze Leben beeinflusst. Wie bist Du daraufgekommen die Krankheit in die Handlung einzuflechten?

Genau deswegen, weil sie so weit verbreitet ist und gleichzeitig kaum in der Öffentlichkeit bekannt ist! Zwei Frauen aus meinem engeren Umfeld leiden stark an dieser Krankheit, so bin ich schon lange darauf sensibilisiert und habe mich intensiv damit beschäftigt. Ich finde es unglaublich, welche Leidensgeschichten es da gibt und was sich die Betroffenen oft anhören müssen – nicht selten sogar von ihren Ärzten. Im Roman nimmt die Krankheit nur einen kleinen Raum ein, für meine Protagonistin ist es jedoch ein dominierender Faktor in ihrem Leben – und erklärt einiges an ihrem Verhalten.

Wie geht es mit Kirkby weiter?

Sagen wir’s so: Es gibt noch SEHR viel zu erzählen! Für 2024 sind zwei weitere Romane geplant, dito für 2025 und dann wird man sehen.

Dann bin ich ja beruhigt und freue mich auf weitere Ausflüge nach Kirkby. Dankeschön und bis bald…

© Sonja Kochmann

Interview

Interview // Vivian Vanessa Wagner – Leben mit Endometriose

Es ist kein Geheimnis, dass mir das Thema Endometriose sehr am Herzen liegt und auf einigen Veranstaltungen habe ich bereits Vivian (bekannt als die Endolöwin) kennen gelernt. Da vor Kurzem Ihr eigenes Buch heraus kam, fassten wir den Plan, doch ein kleines Interview zu machen:

© Vivian Vannessa Wagner

Du berichtest ja in Deinem Buch viel Persönliches. Magst Du an dieser Stelle nochmals einen kleinen Einblick in Deinen Weg zur Diagnose geben?

-> Mit ungefähr 12 Jahren habe ich meine erste Periode bekommen und damit auch meine ersten Schmerzen und Beschwerden. Ich hatte damals schon sehr starke Unterleibschmerzen und bin vor Schmerzen in Ohnmacht gefallen oder musste mich vor Schmerzen übergeben. Es war unerträglich für mich und ich suchte daraufhin meine erste Frauenärztin auf und vertraute mich ihr an. Leider hat sie mich und meine Beschwerden nicht ernst genommen und verabschiedete mich mit einem Rezept für die Pille. Dieses Schema wiederholte sich bei meinen weiteren gynäkologischen Arztbesuchen. In rund 12 Jahre suchte ich rund 20 Gynäkolg:innen auf. „Die Schmerzen gehören zum Frausein nun mal dazu“ oder „Sie bilden sich die Beschwerden nur ein. Es ist alles in Ordnung“, waren Aussagen, die sich wiederholt haben. 2020 bin ich dann an meinen jetzigen Frauenarzt in Hamburg gelandet. Er war der erste Arzt, der mich ernst genommen hat und mich sofort an ein zertifiziertes Endometriose Zentrum überwies. Kurz darauf hatte ich auch schon meine erste Bauchspiegelung. Aus einer geplanten 45 Minuten Operation wurde eine dreistündige Operation. Diagnose: Endometriose. Mein ganzer Bauchraum und meine Blase waren voller Endometriose-Herde. Ich war unendlich glücklich, weil ich nun sicher wusste, dass meine Schmerzen und Beschwerden über all die Jahre real waren.

Wann kam die Idee zur Endolöwin zu werden?

Kurz nach meiner Endometriosediagnose habe ich in den sozialen Medien nach Gleichgesinnten und einem gemeinsamen Austausch gesucht. Leider war das Thema Endometriose vor rund drei Jahren noch nicht so präsent, wie es jetzt mittlerweile ist. Ich wollte von meinen eigenen Erfahrungen berichten und meine Geschichte teilen. Mir war es wichtig, dass ich anderen einen Raum bieten, um sich auszutauschen. Somit gründete ich meinen Instagram-Account „Endolöwin“ und poste im Febraur 2020 meinen ersten Beitrag. Ich wollte zeigen, dass keiner mit seiner Endometriose Erkrankung alleine ist und dass es da draußen viele von uns gibst. Eine Löwin steht für Lebensmut und Stärke. Das sind die Eigenschaften, die ich durch meine Endometriose dazugewonnen habe. Somit kam die Idee zur Endolöwin zu werden.

Du bist in dem Film von Nadine (Endo gut, alles gut) zu sehen. Wie kam es dazu?

Die liebe Nadine habe ich im Sommer 2020 bei der gemeinsamen Endometriose-Rehabilitation kennengelernt. Wir haben dort sehr viel Zeit verbracht und auch sie wollte unbedingt etwas zur Endometrioseaufklärung beitragen. So fing es an, dass wir in den Räumlichkeiten der Rehaklinik in Ratzeburg, die ersten Ideen für ein großes Aufklärungsprojekt schmiedeten. Kurz darauf war Nadine klar, dass sie die erste dreisprachige Endometriose Dokumentation drehen möchte, und sie fragte mich, ob ich auch ein Teil davon sein möchte. Ich habe nicht überlegen müssen und habe direkt zugesagt.

Wer oder was hat Dich zum Schreiben gebracht? Wie lange dauerte das Schreiben?

Mein größter Wunsch war es schon immer ein eigenes Buch zu schreiben. Ich konnte mich schon immer am besten in geschriebenes Worten ausdrücken. Den Gedanken ein eigenes Buch zu schreiben, habe ich aber immer ganz weit weggeschoben, weil ich dachte, dass dies immer nur ein Traum bleiben würde. 2021 hatte ich dann eine E-Mail mit dem Betreff „ein gemeinsames Buchprojekt“ in meinem Postfach. Ich wurde von meinem jetzigen Verlag gefragt, ob ich Lust habe, ein Buch über Endometriose zu schreiben. Ich konnte es gar nicht glauben und meine Antwort lautete sofort: Ja, Ja und nochmal Ja! Damals hatte ich so viele Ängste, weil ich gar nicht wusste wie man überhaupt ein Buch schreibt und ob ich das jemals schaffen würde. Kurz darauf ging ich mit meinem Verlag schon meine ersten Vorstellungen des Buches durch und dann fing ich an die ersten Zeilen zu schreiben. Der ganz Schreibprozess dauerte rund eineinhalb Jahre. Es war eine sehr emotionale und aufregende Zeit. Das Schreiben war auch für mich ein großer Selbstheilungsprozess und ich konnte in dieser Zeit sehr viel reflektieren. 

© Vivian Vannessa Wagner

Wie waren die ersten Feedbacks zu Deinem Buch? Was sagt Deine Familie und Dein Freundeskreis dazu?

 Als mein Buch erschienen ist, hatte ich totale Angst vor negativen Rückmeldungen. Letztendlich stellen sich diese Ängste natürlich als völlig unbegründet dar. Meine Familie und auch mein Freundeskreis hatten durchweg nur positives Feedback für mich. Das hat mich sehr gefreut und ich wusste, dass diese Menschen mir auch sagen würden, wenn ich dieses Buchprojekt gegen die Wand gefahren hätte. Dies war ein Glück nicht der Fall und ich war sehr erleichtert.

Das Feedback von der Endometriose-Community war bis dato auch sehr positiv und wirklich sehr emotional. Ich bekomme immer wieder Nachrichten, dass das Buch verschlungen wurde und ganz viele Tränen geflossen sind, weil Betroffene endlich verstanden wurden. Das ist für mich nicht selbstverständlich und das schätze ich wirklich sehr.

Resilienz und Achtsamkeit findet man in Deinem Buch, sind aber generell derzeit große Themenblöcke im Umgang mit Stress. Ich erwische mich selbst bei bestimmten Themen immer wieder, dass ich ausflippe. Hand aufs Herz, was lässt Dich aus der Haut fahren?

Mein Geduldsfaden ist sehr lang. Wirklich sehr lang. Aber bei einer Sache, kann auch ich nicht ruhig bleiben: Schmatzen beim Essen. Ich kriege schon Gänsehaut, wenn ich nur daran denke…
Das sind Geräusche, die mich wirklich aus der Haut fahren lassen können. Da hilft auch leider keine meiner Achtsamkeitsübungen mehr.

Es gibt viele Tipps und Tricks, die einem den Alltag mit Endometriose erleichtern können. Viele findet man in Deinem Buch. Was geht für Dich gar nicht? Womit fühlst Du Dich unwohl?

Bei mir stellen sich die Nackenhaare bei dem Gedanken auf, dass es da draußen Menschen gibt, die behaupten, dass man durch deren teures Produkt oder Dienstleistung, von Endometriose geheilt werden kann. Endometriose ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht heilbar. Dennoch nutzen Menschen die Unwissenheit auch die Hilflosigkeit von Betroffenen aus, um damit auch noch Geld zu machen. Das geht für mich absolut nicht. Es macht mich wütend und traurig zu gleich. Deshalb ist es umso wichtiger, immer alles kritisch zu hinterfragen.

Mir persönlich tut der Austausch in einer Selbsthilfegruppe sehr gut. Wie sieht Dein Netzwerk aus und wie wichtig sind Dir die ganzen „Endosisters“?

© Vivian Vannessa Wagner

Auch mir tut der Austausch mit anderen Betroffenen sehr gut. Ich habe großes Glück, dass meine beste Freundin mich immer zu hundertprozentig versteht. Denn auch sie leidet an Endometriose und wir können uns somit in schweren Zeiten immer wieder auffangen, ohne uns großartig erklären zu müssen.
Seit September 2022 darf ich auch die Endometriose Selbsthilfegruppe in Lüneburg leiten und habe somit auch nochmal einen persönlichen Austausch mit Endometriose-Betroffenen. Ich bin sehr dankbar, dass die Endometriose-Community mittlerweile immer größer wird und es in den sozialen Medien immer jemanden gibt, der einen versteht und zeigt, dass man nicht damit allein ist.

Nenn mir zwei gerne verwendete Hashtags (Ein Hashtag mit Thema Endometriose und ein neutraler).

#endometriosekämpferinnen & #periodenschmerzensindnichtnormal

So, Du wurdest erwischt. Es gibt Beweise…Du kennst keine Mantaplatte? Wie wichtig ist für Dich die Ernährung? Darf es auch mal Fast Food sein?

Die Mantaplatte war mir wirklich kein Begriff. Ich bleibe dabei: Es heißt Currywurst mit Pommes. Und damit ist auch schon deine Frage beantwortet: Natürlich darf ich es bei mir auch mal Fast Food sein. Generell esse ich h all das, worauf ich Lust habe und was mir guttut. Damit fahre ich persönlich am besten. Ich halte nichts von strengen Ernährungsformen. Damit habe ich persönlich leider keine guten Erfahrungen gemacht, weil mich dies noch mehr unter Druck gesetzt hat und es letztendlich in enormen Stress für mich ausgeartet ist.

Schokolade oder Chips? Süss, herzhaft oder sauer?

Definitiv Schokolade. Ich bin zugegeben eine richtige Naschkatze. Ich mag gerne süß, aber manchmal auch herzhaft. Von sauren Leckereien bin ich tatsächlich nicht so der Fan.

www.sonjaliest.de ist ja ein Buchblog. Was ist Dein Lieblingsbuch und Dein*e Lieblingsautor*in?

Mein Lieblingsbuch heißt: „Nur noch ein einziges Mal“ von Colleen Hoover. Und das ist tatsächlich auch meine Lieblingsautorin. Ich mag ihre Bücher sehr gerne und tauche gerne in die Lily, Ryle und Atlas-Reihe ein. Ich finde, dass die Geschichte des Buches einen sehr berührt und zum Nachdenken anregen kann.

Was sind Deine Hobbys? (Fotografieren? Dein Hund?)

Mein liebstes Hobby ist die Fotografie. Ich stehe gerne vor, aber auch hinter der Kamera. Das anschließende Fotos bearbeiten, ist eine Art Meditation für mich. Zudem bin ich auch ein wenig kreativ und kann diese Ader mit meinem zweit liebsten Hobby das Makramee knüpfen ausleben. Auch dies hat eine sehr beruhigende und meditative Wirkung auf mich. Es ist außerdem eine tolle Ablenkung, wenn die Endometriose mich mal wieder ärgern möchte.

Wo fühlst Du Dich wohl … Meer oder Berge?

Ich fühle mich am Meer wohler. Wobei ich keine Wasserratte bin. Aber ein Strand ist für mich ein absoluter Kraftort. Ich kann dort abschalten und neue Kraft tanken. Aber gegen Urlaub in den Bergen hätte ich auch absolut nichts!

© Vivian Vannessa Wagner

Was sind Deine Wünsche für die Zukunft?

Da ich ein absoluter Familienmensch bin, ist mein größter Lebenswunsch eine eigene kleine Familie zu gründen und irgendwann mein kleines Wunder in den Armen halten zu können. Ich hoffe sehr, dass ich außerdem noch viele spannendete Endometriose-Projekte ins Leben rufen darf und wir gemeinsam endlich mit der Endometrioseforschung weiterkommen.

Animal Crossing Insel?

Pssssst… ich verrate nun mein kleines Geheimnis. Den Namen meiner Animal Crossing Insel. Trommelwirbel: Sie heißt „Endoisland“. Wie könnte sie auch anders heißen?

Also meine heißt Ayurveda. 😉 

Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg mit Deinem Buch und Deinem Instagramaccount. Ich hoffe, wir sehen uns bald mal wieder persönlich. Vielleicht am 29.09.2023 in Hannover?

© Sonja Kochmann

 

Am 29. September ist Tag der Endometriose! Ihr seid herzlich eingeladen!

Filmaufführung JUNG UND ENDO + Netzwerktreffen

Save the Date: Am 29.09.2023 im Stadtteilzentrum Ricklingen um 17 Uhr

Adresse: Anne-Stache-Allee 7, 30459 Hannover

Der Eintritt ist kostenfrei. Jedoch wird vorab um eine Reservierung gebeten.

Anschließend wollen wir den Tag der Endometriose nutzen, um mit Euch ins Gespräch zu kommen.

Zum Film: Obwohl es allein in Deutschland ca. 2 Millionen Betroffene gibt, wissen viele noch viel zu wenig über die Krankheit. Der Film richtet sich daher an junge Mädchen & Betroffene, an Eltern, Lehrer*innen, Schulsozialarbeiter*innen, aber auch an Freunde & Partner*innen von Betroffenen, um anhand von persönlichen Schicksalen über die Erkrankung zu erzählen.

Im Mittelpunkt des Filmes stehen 3 junge Frauen, die ihren ganz persönlichen Weg mit Endometriose beschreiben & zeigen, wie sie den Alltag & ihr Leben trotz der Erkrankung selbstbestimmt gestalten.

„Ich dachte, starke Regelschmerzen sind normal. Es ging lange Jahre so, bis ich die Schmerzen nicht mehr ausgehalten habe. Nach vielen Arztbesuchen kam die Diagnose: Endometriose.“, sagt Eline (17). Bei Eline wurde die chronische Erkrankung früh diagnostiziert. In ihrer Schule wissen Mitschüler*innen und die Lehrkräfte um ihre Endometriose. Zu Hause spricht sie offen mit den Eltern über ihr Leiden und auch ihre Bedürfnisse. Maria (23) & Lukas (23) sind ein Paar. Die Diagnose Endometriose beeinflusst ihre Beziehung: Ernährung, gemeinsame Freizeitaktivitäten und Sexualität werden von Marias Krankheit bestimmt. Julia (22) hat die Diagnose zusammen mit dem Rat bekommen, möglichst früh schwanger zu werden.

Eine Produktion des Medienprojekt Wuppertal e.V.  im Auftrag & in Zusammenarbeit mit der Endometriosevereinigung e.V., gefördert aus Mitteln des BKK Dachverband e.V.
Von den Filmemacher*innen Kim Münster
www.treibsand-film.de & Sebastian Bergfeld