Es ist kein Geheimnis, dass mir das Thema Endometriose sehr am Herzen liegt und auf einigen Veranstaltungen habe ich bereits Vivian (bekannt als die Endolöwin) kennen gelernt. Da vor Kurzem Ihr eigenes Buch heraus kam, fassten wir den Plan, doch ein kleines Interview zu machen:
© Vivian Vannessa Wagner
Du berichtest ja in Deinem Buch viel Persönliches. Magst Du an dieser Stelle nochmals einen kleinen Einblick in Deinen Weg zur Diagnose geben?
-> Mit ungefähr 12 Jahren habe ich meine erste Periode bekommen und damit auch meine ersten Schmerzen und Beschwerden. Ich hatte damals schon sehr starke Unterleibschmerzen und bin vor Schmerzen in Ohnmacht gefallen oder musste mich vor Schmerzen übergeben. Es war unerträglich für mich und ich suchte daraufhin meine erste Frauenärztin auf und vertraute mich ihr an. Leider hat sie mich und meine Beschwerden nicht ernst genommen und verabschiedete mich mit einem Rezept für die Pille. Dieses Schema wiederholte sich bei meinen weiteren gynäkologischen Arztbesuchen. In rund 12 Jahre suchte ich rund 20 Gynäkolg:innen auf. „Die Schmerzen gehören zum Frausein nun mal dazu“ oder „Sie bilden sich die Beschwerden nur ein. Es ist alles in Ordnung“, waren Aussagen, die sich wiederholt haben. 2020 bin ich dann an meinen jetzigen Frauenarzt in Hamburg gelandet. Er war der erste Arzt, der mich ernst genommen hat und mich sofort an ein zertifiziertes Endometriose Zentrum überwies. Kurz darauf hatte ich auch schon meine erste Bauchspiegelung. Aus einer geplanten 45 Minuten Operation wurde eine dreistündige Operation. Diagnose: Endometriose. Mein ganzer Bauchraum und meine Blase waren voller Endometriose-Herde. Ich war unendlich glücklich, weil ich nun sicher wusste, dass meine Schmerzen und Beschwerden über all die Jahre real waren.
Wann kam die Idee zur Endolöwin zu werden?
Kurz nach meiner Endometriosediagnose habe ich in den sozialen Medien nach Gleichgesinnten und einem gemeinsamen Austausch gesucht. Leider war das Thema Endometriose vor rund drei Jahren noch nicht so präsent, wie es jetzt mittlerweile ist. Ich wollte von meinen eigenen Erfahrungen berichten und meine Geschichte teilen. Mir war es wichtig, dass ich anderen einen Raum bieten, um sich auszutauschen. Somit gründete ich meinen Instagram-Account „Endolöwin“ und poste im Febraur 2020 meinen ersten Beitrag. Ich wollte zeigen, dass keiner mit seiner Endometriose Erkrankung alleine ist und dass es da draußen viele von uns gibst. Eine Löwin steht für Lebensmut und Stärke. Das sind die Eigenschaften, die ich durch meine Endometriose dazugewonnen habe. Somit kam die Idee zur Endolöwin zu werden.
Du bist in dem Film von Nadine (Endo gut, alles gut) zu sehen. Wie kam es dazu?
Die liebe Nadine habe ich im Sommer 2020 bei der gemeinsamen Endometriose-Rehabilitation kennengelernt. Wir haben dort sehr viel Zeit verbracht und auch sie wollte unbedingt etwas zur Endometrioseaufklärung beitragen. So fing es an, dass wir in den Räumlichkeiten der Rehaklinik in Ratzeburg, die ersten Ideen für ein großes Aufklärungsprojekt schmiedeten. Kurz darauf war Nadine klar, dass sie die erste dreisprachige Endometriose Dokumentation drehen möchte, und sie fragte mich, ob ich auch ein Teil davon sein möchte. Ich habe nicht überlegen müssen und habe direkt zugesagt.
Wer oder was hat Dich zum Schreiben gebracht? Wie lange dauerte das Schreiben?
Mein größter Wunsch war es schon immer ein eigenes Buch zu schreiben. Ich konnte mich schon immer am besten in geschriebenes Worten ausdrücken. Den Gedanken ein eigenes Buch zu schreiben, habe ich aber immer ganz weit weggeschoben, weil ich dachte, dass dies immer nur ein Traum bleiben würde. 2021 hatte ich dann eine E-Mail mit dem Betreff „ein gemeinsames Buchprojekt“ in meinem Postfach. Ich wurde von meinem jetzigen Verlag gefragt, ob ich Lust habe, ein Buch über Endometriose zu schreiben. Ich konnte es gar nicht glauben und meine Antwort lautete sofort: Ja, Ja und nochmal Ja! Damals hatte ich so viele Ängste, weil ich gar nicht wusste wie man überhaupt ein Buch schreibt und ob ich das jemals schaffen würde. Kurz darauf ging ich mit meinem Verlag schon meine ersten Vorstellungen des Buches durch und dann fing ich an die ersten Zeilen zu schreiben. Der ganz Schreibprozess dauerte rund eineinhalb Jahre. Es war eine sehr emotionale und aufregende Zeit. Das Schreiben war auch für mich ein großer Selbstheilungsprozess und ich konnte in dieser Zeit sehr viel reflektieren.
© Vivian Vannessa Wagner
Wie waren die ersten Feedbacks zu Deinem Buch? Was sagt Deine Familie und Dein Freundeskreis dazu?
Als mein Buch erschienen ist, hatte ich totale Angst vor negativen Rückmeldungen. Letztendlich stellen sich diese Ängste natürlich als völlig unbegründet dar. Meine Familie und auch mein Freundeskreis hatten durchweg nur positives Feedback für mich. Das hat mich sehr gefreut und ich wusste, dass diese Menschen mir auch sagen würden, wenn ich dieses Buchprojekt gegen die Wand gefahren hätte. Dies war ein Glück nicht der Fall und ich war sehr erleichtert.
Das Feedback von der Endometriose-Community war bis dato auch sehr positiv und wirklich sehr emotional. Ich bekomme immer wieder Nachrichten, dass das Buch verschlungen wurde und ganz viele Tränen geflossen sind, weil Betroffene endlich verstanden wurden. Das ist für mich nicht selbstverständlich und das schätze ich wirklich sehr.
Resilienz und Achtsamkeit findet man in Deinem Buch, sind aber generell derzeit große Themenblöcke im Umgang mit Stress. Ich erwische mich selbst bei bestimmten Themen immer wieder, dass ich ausflippe. Hand aufs Herz, was lässt Dich aus der Haut fahren?
Mein Geduldsfaden ist sehr lang. Wirklich sehr lang. Aber bei einer Sache, kann auch ich nicht ruhig bleiben: Schmatzen beim Essen. Ich kriege schon Gänsehaut, wenn ich nur daran denke…
Das sind Geräusche, die mich wirklich aus der Haut fahren lassen können. Da hilft auch leider keine meiner Achtsamkeitsübungen mehr.
Es gibt viele Tipps und Tricks, die einem den Alltag mit Endometriose erleichtern können. Viele findet man in Deinem Buch. Was geht für Dich gar nicht? Womit fühlst Du Dich unwohl?
Bei mir stellen sich die Nackenhaare bei dem Gedanken auf, dass es da draußen Menschen gibt, die behaupten, dass man durch deren teures Produkt oder Dienstleistung, von Endometriose geheilt werden kann. Endometriose ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht heilbar. Dennoch nutzen Menschen die Unwissenheit auch die Hilflosigkeit von Betroffenen aus, um damit auch noch Geld zu machen. Das geht für mich absolut nicht. Es macht mich wütend und traurig zu gleich. Deshalb ist es umso wichtiger, immer alles kritisch zu hinterfragen.
Mir persönlich tut der Austausch in einer Selbsthilfegruppe sehr gut. Wie sieht Dein Netzwerk aus und wie wichtig sind Dir die ganzen „Endosisters“?
© Vivian Vannessa Wagner
Auch mir tut der Austausch mit anderen Betroffenen sehr gut. Ich habe großes Glück, dass meine beste Freundin mich immer zu hundertprozentig versteht. Denn auch sie leidet an Endometriose und wir können uns somit in schweren Zeiten immer wieder auffangen, ohne uns großartig erklären zu müssen.
Seit September 2022 darf ich auch die Endometriose Selbsthilfegruppe in Lüneburg leiten und habe somit auch nochmal einen persönlichen Austausch mit Endometriose-Betroffenen. Ich bin sehr dankbar, dass die Endometriose-Community mittlerweile immer größer wird und es in den sozialen Medien immer jemanden gibt, der einen versteht und zeigt, dass man nicht damit allein ist.
Nenn mir zwei gerne verwendete Hashtags (Ein Hashtag mit Thema Endometriose und ein neutraler).
#endometriosekämpferinnen & #periodenschmerzensindnichtnormal
So, Du wurdest erwischt. Es gibt Beweise…Du kennst keine Mantaplatte? Wie wichtig ist für Dich die Ernährung? Darf es auch mal Fast Food sein?
Die Mantaplatte war mir wirklich kein Begriff. Ich bleibe dabei: Es heißt Currywurst mit Pommes. Und damit ist auch schon deine Frage beantwortet: Natürlich darf ich es bei mir auch mal Fast Food sein. Generell esse ich h all das, worauf ich Lust habe und was mir guttut. Damit fahre ich persönlich am besten. Ich halte nichts von strengen Ernährungsformen. Damit habe ich persönlich leider keine guten Erfahrungen gemacht, weil mich dies noch mehr unter Druck gesetzt hat und es letztendlich in enormen Stress für mich ausgeartet ist.
Schokolade oder Chips? Süss, herzhaft oder sauer?
Definitiv Schokolade. Ich bin zugegeben eine richtige Naschkatze. Ich mag gerne süß, aber manchmal auch herzhaft. Von sauren Leckereien bin ich tatsächlich nicht so der Fan.
www.sonjaliest.de ist ja ein Buchblog. Was ist Dein Lieblingsbuch und Dein*e Lieblingsautor*in?
Mein Lieblingsbuch heißt: „Nur noch ein einziges Mal“ von Colleen Hoover. Und das ist tatsächlich auch meine Lieblingsautorin. Ich mag ihre Bücher sehr gerne und tauche gerne in die Lily, Ryle und Atlas-Reihe ein. Ich finde, dass die Geschichte des Buches einen sehr berührt und zum Nachdenken anregen kann.
Was sind Deine Hobbys? (Fotografieren? Dein Hund?)
Mein liebstes Hobby ist die Fotografie. Ich stehe gerne vor, aber auch hinter der Kamera. Das anschließende Fotos bearbeiten, ist eine Art Meditation für mich. Zudem bin ich auch ein wenig kreativ und kann diese Ader mit meinem zweit liebsten Hobby das Makramee knüpfen ausleben. Auch dies hat eine sehr beruhigende und meditative Wirkung auf mich. Es ist außerdem eine tolle Ablenkung, wenn die Endometriose mich mal wieder ärgern möchte.
Wo fühlst Du Dich wohl … Meer oder Berge?
Ich fühle mich am Meer wohler. Wobei ich keine Wasserratte bin. Aber ein Strand ist für mich ein absoluter Kraftort. Ich kann dort abschalten und neue Kraft tanken. Aber gegen Urlaub in den Bergen hätte ich auch absolut nichts!
© Vivian Vannessa Wagner
Was sind Deine Wünsche für die Zukunft?
Da ich ein absoluter Familienmensch bin, ist mein größter Lebenswunsch eine eigene kleine Familie zu gründen und irgendwann mein kleines Wunder in den Armen halten zu können. Ich hoffe sehr, dass ich außerdem noch viele spannendete Endometriose-Projekte ins Leben rufen darf und wir gemeinsam endlich mit der Endometrioseforschung weiterkommen.
Animal Crossing Insel?
Pssssst… ich verrate nun mein kleines Geheimnis. Den Namen meiner Animal Crossing Insel. Trommelwirbel: Sie heißt „Endoisland“. Wie könnte sie auch anders heißen?
Also meine heißt Ayurveda. 😉
Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg mit Deinem Buch und Deinem Instagramaccount. Ich hoffe, wir sehen uns bald mal wieder persönlich. Vielleicht am 29.09.2023 in Hannover?
© Sonja Kochmann
Am 29. September ist Tag der Endometriose! Ihr seid herzlich eingeladen!
Filmaufführung JUNG UND ENDO + Netzwerktreffen
Save the Date: Am 29.09.2023 im Stadtteilzentrum Ricklingen um 17 Uhr
Adresse: Anne-Stache-Allee 7, 30459 Hannover
Der Eintritt ist kostenfrei. Jedoch wird vorab um eine Reservierung gebeten.
Anschließend wollen wir den Tag der Endometriose nutzen, um mit Euch ins Gespräch zu kommen.
Zum Film: Obwohl es allein in Deutschland ca. 2 Millionen Betroffene gibt, wissen viele noch viel zu wenig über die Krankheit. Der Film richtet sich daher an junge Mädchen & Betroffene, an Eltern, Lehrer*innen, Schulsozialarbeiter*innen, aber auch an Freunde & Partner*innen von Betroffenen, um anhand von persönlichen Schicksalen über die Erkrankung zu erzählen.
Im Mittelpunkt des Filmes stehen 3 junge Frauen, die ihren ganz persönlichen Weg mit Endometriose beschreiben & zeigen, wie sie den Alltag & ihr Leben trotz der Erkrankung selbstbestimmt gestalten.
„Ich dachte, starke Regelschmerzen sind normal. Es ging lange Jahre so, bis ich die Schmerzen nicht mehr ausgehalten habe. Nach vielen Arztbesuchen kam die Diagnose: Endometriose.“, sagt Eline (17). Bei Eline wurde die chronische Erkrankung früh diagnostiziert. In ihrer Schule wissen Mitschüler*innen und die Lehrkräfte um ihre Endometriose. Zu Hause spricht sie offen mit den Eltern über ihr Leiden und auch ihre Bedürfnisse. Maria (23) & Lukas (23) sind ein Paar. Die Diagnose Endometriose beeinflusst ihre Beziehung: Ernährung, gemeinsame Freizeitaktivitäten und Sexualität werden von Marias Krankheit bestimmt. Julia (22) hat die Diagnose zusammen mit dem Rat bekommen, möglichst früh schwanger zu werden.
Eine Produktion des Medienprojekt Wuppertal e.V. im Auftrag & in Zusammenarbeit mit der Endometriosevereinigung e.V., gefördert aus Mitteln des BKK Dachverband e.V.
Von den Filmemacher*innen Kim Münster www.treibsand-film.de & Sebastian Bergfeld