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Kinder

Interview

Interview // Almut Schnerring – Flausch

Vor Kurzem bekam ich “Flausch” in die Hände, ein Bilderbuch aus dem Carlsenverlag, in dem sich inhaltlich etwas ganz Besonderes verbirgt. Ich habe bei der Autorin mal nachgefragt:

Gibt man „Flausch“ in das Internetsuchfeld einer großen Suchmaschine ein, bekommt man zahlreiche Treffer aus verschiedenen Bereichen. Assoziieren tut man etwas Niedliches und Jennifer Coulmann hat dies auf Deinem Buchcover auch so dargestellt. Wer oder was ist Flausch?

Flausch mag sich nicht in eine Schublade stecken lassen. Es wehrt sich gegen Zuordnungen, weil sie ihm alle zu eng sind. Es kann ja schwimmen und fliegen, ist mal weich mal stachelig, seine Farbe ändert sich, es macht, was ihm Freude macht und nicht das, was andere erwarten. Und das stellt die anderen Wesen auf der Waldlichtung vor eine Herausforderung.

© Almut Schnerring

Woher kam die Idee zu diesem Kinderbuch?

Mich beschäftigt, dass wir Kinder schon vor Geburt einordnen wollen. “Was wird es denn?” ist die häufigste Frage, die Schwangere hören, mit “Was ist es denn?” kommen Kinder in dieser Welt an. Was macht das mit uns? Und warum schaffen wir es nicht, Kinder ERST kennenzulernen, und DANN festzustellen: “Ach guck, es verhält sich eher ruhig / wild”, “Oh wie schön, es interessiert sich für… ?

Und was ist die rosa-hellblau Falle?

Die Rosa-Hellblau-Falle® ist ein Begriff, den ich zusammen mit Sascha Verlan mit unserem gleichnamigen Sachbuch 2014 eingeführt habe. Wir wollten damit das Phänomen des ‘Gender Bias’ (verzerrte, stereotype Wahrnehmung in Bezug auf Geschlecht) anschaulich benennen können, und wir freuen uns, dass er sich als Hashtag und alltägliche Bezeichnung durchsetzen konnte. Inzwischen wird er von vielen benutzt, die über enge Rollenvorbilder schreiben, die sich mit Familienmitgliedern über klischeehafte Kommentare oder Geschenke u.ä. unterhalten, oder die sich generell mit uns dafür engagieren, dass Kindern mehr Wahlfreiheit zugestanden wird, jenseits von rosa-hellblauem Schubladendenken.

Welche Rolle oder Schublade ärgert Dich persönlich am Meisten?

Eins meiner drei Kinder wurde in wirklich JEDEM Elterngespräch durch die ganze Schulzeit hinweg immer in die “Sie ist eben ‘ne Schüchterne”-Schublade gesteckt. Durchaus wohlwollend, aber immer als Defizit gemeint: “Wir wissen ja, dass Du eher ne Ruhige bist, musst dich eben mehr melden”. Das hat mich im Lauf der Jahre zunehmend beschäftigt. Auch auf andere Zuschreibungen und Normen bezogen: denn wie können Erwachsene von einem Kind Änderung erwarten, wenn sie es doch immer und immer wieder in dieselbe Schublade stecken? Und welche Eigenschaft ist eigentlich bei wem akzeptiert und welche bei anderen … …wiederum nicht?  Jedenfalls fand ich bei Spielplatzgesprächen immer faszinierend, dass manche Eltern ihre Kinder anscheinend sehr genau charakterisieren können, bzw es einfach unreflektiert tun: Also meiner ist ja ein Ruhiger”, Ich hab ne total Wilde”… Zum einen konnte ich das bei meinen nicht, weil sie zuhause anders sind als bei Fremden, weil sie mit drei anders sind als mit acht. Und zum anderen habe ich mich ab dem Punkt, als mir das aufgefallen war, sehr bemüht, es selbst nie zu tun.

Kannst Du durch einen Spielzeugladen schlendern ohne kritisch die Augen zusammenzukneifen?

Nein, und schon gar nicht, ohne laut zu lachen und mich zu wundern 😀 Ich mache dann jedes Mal Fotos, teile meinen Grusel auf Instagram, und freue mich, mit meiner Kritik an sterotypen Zuschreibungen und absurden Klischees nicht (mehr) alleine zu sein.

Gendergerechte Erziehung ja, aber wie sieht es mit dem Gendersternchen aus?

Seit ich diese eine Studie* gelesen habe, die belegt, dass Kinder sich weniger stereotyp und dafür viel individueller und freier für Berufe interessieren, wenn man sie ihnen nicht im generischen Maskulinum vorstellt, seitdem spreche und schreibe ich mit Stern. Ich nenne es aber nicht gendern, sondern ent-gendern. Denn ich will ja genau das: den Fokus wegnehmen von der männlichen Norm hin zur Wahlfreiheit. (https://idw-online.de/de/news632492)

Wer oder was hat Dich zum Schreiben gebracht? Wolltest Du schon immer Autorin werden?

Ich habe das Schreiben beim Hörfunk angefangen und arbeite schon seit dem Studium als Radiofeature-Autorin und -Produzentin. Das sind einstündige, collagierte Produktionen zu einem bestimmten Thema, das durch Interviews, Musik, Autorinnen-Texte, Zitate, Geräusche usw. anschaulich vermittelt wird. Und das mache ich eigentlich immer noch: Themen so vielfältig und bunt aufbereiten, dass Menschen mehr darüber erfahren wollen, auch wenn sie selbst keine Studien lesen möchten. Nur dass ich inzwischen neben Radiosendungen auch Vorträge, Veranstaltungen, Poster, Sach- und Bilderbücher mache.

Wie stehst Du zu Buchreihen? Bist Du davon begeistert, oder magst Du lieber Einzelbücher? Flausch muss bestimmt noch ein paar Abenteuer meistern…oder?

Flausch ist mein erstes Bilderbuch. Das erste Manuskript war deshalb viel zu lang und ich musste viele Ideen rauswerfen. Also klar, das wäre wunderbar, wenn Flausch in neuen Geschichten auf Reisen gehen könnte. Ob das möglich sein wird, hängt davon ab, ob die flauschige Baumhaus-Party so vielen gefällt, dass sie mehr dazu lesen wollen. Rückmeldungen gerne an den Carlsen-Verlag 😉 Fürs erste kann ich das Flausch-Poster empfehlen, das ich mit Jennifer Coulmann umgesetzt habe: ein großes Wimmelbild mit Flausch & Co, dazu 10 kurze Texte, die das Thema Normen und Zuschreibungen aus der Geschichte nochmal aufgreift: rosa-hellblau-falle.de/flausch

© Almut Schnerring

Vielen Dank. Ich drücke die Daumen für neue Flausch Abenteuer und verfolge Deinen Instagramaccount weiter, mit interessanten Fotos zur rosa-hellblau-Falle.

Rezension

Rezension // Almut Schnerring – Flausch

Okay, ich bin ein Coveropfer. Bei der Bloggervorschau wurde Flausch präsentiert und ich war hin und weg. Denn wie sagt Agnes bei den Minions so schön: „Es ist F-L-A-U-S-C-H-I-G!!!!“ Natürlich verrieten die Carlsen Mitarbeiter noch ein bisschen mehr und da stand fest, ich bin gespannt, wie die Geschichte und die Gedanken dahinter umgesetzt werden.

Flausch, dieses kleine plüschige Etwas, lebt allein im Wald. Da ihm langweilig ist, beschließt es, die anderen Tiere zu einer Party einzuladen. Die anderen Tiere sind jedoch bislang zögerlich. Sie wissen nicht so recht, wer oder was Flausch ist. Doch sie beschließen der Einladung zu folgen und jeder will ein Geschenk mitbringen. Dabei lassen sich alle vom persönlichen Geschmack leiten.

Prinzessin, Pirat, Ameise, Schnecke, Küken, Tiger und allerlei Getier machen sich also auf den Weg. Durch die wundervollen Zeichnungen von Jennifer Coulmann gibt es viel zu gucken und die Farben sind vielfältig und abwechslungsreich. Schnell ist die Butze von Flausch voll und es läuft gar nicht so wie Flausch sich das vorgestellt hat und nun ja … es rastet aus. Aus flauschig wird stachlig und wie aus den Erwartungen und dem Chaos ein wundervoll ereignisreicher Nachmittag für alle wird, müsst Ihr alle, Groß wie Klein, selber lesen.

Flausch hat übrigens keine eindeutige Farbe (Ein Leserschelm stellt später fest, dass ist auch so gewollt.) Für die Vorleser gibt es ein Nachwort, dass zum Denken anregt: Was für Rollen und Geschlechterklischees bekommt man bereits in die Wiege gelegt? Rosa, blau, Prinzessin oder Räuber, Puppen oder Autos, niedlich oder frech? Das Buch thematisiert dies in einer Geschichte, die für Kinder ab 3 Jahren geeignet ist.

Ich grüble schon eine Weile, was ich diesbezüglich selbst für Erfahrungen gemacht habe und was ich bei meinem Sohn bereits geändert habe.

Ich gebe volle Punktzahl und würde mir wünschen, dass Flausch noch ein paar Abenteuer erlebt, um Situationen, die Klischee behaftet sind zu entlarven und aufzuzeigen. An der Lösung, die die Tiere hier für sich entdeckt haben, sollten wir uns künftig ein Beispiel nehmen. Übrigens auf dem Blog ist in einem separaten Beitrag ein Interview mit der Autorin zu finden.

 

 

Verlag: Carlsen

erschienen: 2023

Seiten: 32

ISBN: 978-3551521668

Rezension

Rezension // Kai Lüftner – Walter Falter (#2)

Wäre ich ein kleines Insekt, ich wär verliebt: In den coolsten Drummer in der Welt der Krabbeltiere: Walter Falter!

Durch Stöbern bin ich auf Walter gestoßen, denn der kleine Kerl hat dieselben schönen Kulleraugen hinter einer Brille versteckt, wie der Knackserich und diese stammen aus der Feder von Wiebke Rauers. Die Geschichte von Walter stammt jedoch von Kai Lüftner. Mit Reimen, die an das „Neinhorn“ erinnern, erfahren wir Walters Geschichte:

In einem kleinen moderigen Haus am Waldesrand lebt Walter in der Dunkelheit. Inspiriert von seinen Flügelschlägen und seinem Rhythmus im Blut trommelt er lautlos mit zwei Kirschstielen vor sich hin und stößt bei anderen Insekten lediglich auf Unverständnis. Der Riesenfan von Marie Käferchen (Buch Nr. 1) sieht jedoch seine Chance gekommen, als auf der Wiese ein Konzert stattfindet. Durch dezente Anpassung der Farben erkennt der Leser, groß und klein, nun ist Walters Moment gekommen. Die Chance alles zu zeigen, was er kann. Wer die Geschichte von Marie nicht kennt, kann bedenkenlos zu Walter Falter greifen…nur Mut. Walter hat ihn auch.

Das Buch zeigt eindrucksvoll auf, dass sich manchmal trauen muss und aus dem Schatten treten sollte, auch wenn man bisher unterschätzt wurde.

In dem Buch findet sich ein QR-Code, wenn man dem Link dort folgt, kann man dem Hörbuch und dem Walter-Falter-Song lauschen. Spitze.

Man hat so die Gelegenheit, sich das Buch vorlesen zu lassen und die Details zu betrachten, Walters Flügel, seine Haaren, den Bassisten von Maries Band, ein Hirschkäfer, Plattencover von Mottehead und Metalikacalaca. Walter ist daher auch für Erwachsene ein Hit verdächtiger Schlagzeuger: volle Punktzahl.

 

Verlag: NordSüd Verlag

erschienen: 2023

Seiten: 32

ISBN: 978-3314106392