Interview

Interview // Kiera Brennan – Die Herren der grünen Insel

 

 

Die Herren der grünen Insel von Kiera Brennan ist ein Buch, dass derzeit in jeder Auslage einer Buchhandlung zu finden ist. Es greift mit seiner historischen Handlung Irland auf, was ich bislang in dieser Form noch nicht gelesen habe. Da mir persönlich ein Krankenhausaufenthalt den Besuch der Leipziger Buchmesse 2016 zu nichte gemacht hat, hatte ich durch den Verlag die Chance meine Fragen per Email an Julia Kröhn zu stellen, die hinter diesem englischen Pseudonym steckt. 

© Sonja Kochmann





Nach der Erstellung dieses Blogbeitrages ergab sich dann noch spontan die Möglichkeit, Julia Kröhn auf der Love Letter Convention 2016 in Berlin zu treffen:

Wer oder was hat Sie zum Schreiben gebracht? Und wie kam es
zu dem Pseudonymen?
  1. Carla
    Federico
  2. Leah
    Cohn
  3. Sophia
    Cronberg
Ich habe schon sehr früh angefangen, Geschichten zu
erfinden, und für mich waren diese von Anfang an eine Gelegenheit, in
vergangene Zeiten einzutauchen – ist meine Leidenschaft für „die Geschichte“
doch fast so groß wie fürs „Geschichtenerzählen“. In gewisser Weise ist das
Schreiben für mich also ein „Vehikel für Zeitreisen“.
Zunächst habe ich ausschließlich unter meinem wirklichen
Namen publiziert. Die Pseudonyme wurden dann notwendig, als zum einen mein
Output größer und ich zum anderen vielseitiger und experimentierfreudiger
wurde. Für mich bieten die Pseudonyme die Chance, neue Genres und Erzählweisen
auszuprobieren, ohne bisherige Leser, die die Eigenheiten der Kröhn-Romane
schätzen, zu enttäuschen.
© Sonja Kochmann
Die Formulierungen sind manchmal recht derb und männlich.
Haben Sie auch mal mit dem Gedanken gespielt, ein männliches Pseudonym zu
wählen?
Am Anfang stand mal ein geschlechtsneutrales Pseudonym zur
Debatte, doch diese Überlegungen wurden bald verworfen, hätte das doch
bedeutet, keine Lesungen oder Medienauftritte zu machen. Ganz ehrlich: Ich
hätte es schwer mit meiner feministischen Grundhaltung vereinbaren können, mal
eben schnell mein Geschlecht zu ändern, um – in welcher Hinsicht auch immer –
glaubwürdiger oder berechenbarer zu sein. Dass „Die Herren der Grünen Insel“
ein düsterer, martialischer und naturalistischer Roman ist, wird schließlich
auch durch Cover und Klappentext deutlich – insofern bedarf es m.E. keinen
männlichen Autorennamen als „Warnhinweis“ für Fans von netten Frauenromanzen.
Was verbindet Sie mit Irland und seiner Geschichte? Woher
kam die Idee für das Buch?
Vor Irland habe ich bereits mehrere Male Schottland,
Nordfrankreich, England und Norwegen bereist. Ich liebe einfach die nordischen
Länder mit ihren rauen, wilden Küstenlandschaften und der Einsamkeit, dieser
archaischen Schönheit und den reichen Zeugnissen der (meist keltischen)
Geschichte.  In gewisser Weise spielt
mein Roman nicht nur in Irland – er hat auch viel mit der „Grünen Insel“
gemein: Eine Gondelfahrt in Venedig ist ohne Zweifel das lieblichere, nettere
Erlebnis, weil die Chance auf Sonne bzw. darauf, trocken und sauber zu bleiben,
deutlich größer ist, als wenn man durch Irland wandert – aber sie ist eben auch
nicht so herausfordernd, so individualistisch, so besonders.
Die normannische Invasion Irlands wiederum ist für mich
eines der faszinierendsten Ereignisse der irischen Geschichte, weil hier ein
Thema zum Tragen kommt, das in fast all meinen historischen Romanen eine große
Rolle spielt – nämlich der „clash of civilizations“, also das gewaltsame
Aufeinanderprallen von zwei unterschiedlichen Kulturen.
Wie lief die Recherche im Vorfeld ab? Gab es Hilfe zu den
Themen (Kleidung, Tradition/Glaube, Kriegsführung, Pflanzenheilkunde)?
Ich habe viele Originalquellen und jede Menge
Sekundärliteratur (etwa fünfzig Bücher) gelesen, sodass ich am Ende sehr viel
Material beisammen hatte. Zu meiner großen Begeisterung gibt es etliche Werke,
die nur so vor interessanten Details/Episoden aus dem Alltag des
mittelalterlichen Irlands strotzen. Wichtig waren für mich auch meine
Recherchereisen an die Originalschauplätze, wo ich u.a. auch an den Gräbern von
zwei meiner Romanfiguren (Strongbow und Diarmait) gestanden bin.
© Sonja Kochmann
Das Buch beinhaltet eine Menge gleichgestellte Figuren.
Welches ist Ihre Lieblingsfigur und warum?
Ascall von Toora ist die bislang größte Romanliebe meines
Lebens –  ich war noch nie so sehr in
einen Protagonisten verliebt wie in ihn. Das liegt wohl auch daran, dass er für
mich sehr schwer zu fassen war/ist, und ich überhaupt erst nach zwei Dritteln des
Buchs – zumindest ansatzweise – kapiert habe, wie er tickt. Diese Mischung von
Brutalität und Verletzlichkeit, von Rohheit und Verantwortungsbewusstsein ist
für mich ziemlich unwiderstehlich.
Bei den Frauen ist Caitlín meine Favoritin, an der ich den
schwarzen Humor und den Pragmatismus schätze.
Die Namensgebung der Protagonisten ist durch die Mischung
aus englisch und gälisch interessant geworden. Vermutlich werden diese aber vom
Leser falsch gedacht bzw. ausgesprochen. Warum wurden nicht alle Namen ins
Englische übertragen?
Für mich war diese Vorgehensweise ein Kompromiss. Ich hätte
am liebsten alle Namen original gälisch geschrieben, weil ich die Geschichte
der normannischen Eroberung Irlands aus dem Blickwinkel von Iren schildere und
es mir falsch vorgekommen wäre, ausgerechnet bei ihren Namen plötzlich die
normannische Perspektive einzunehmen. Allerdings war mir auch klar, dass man
Lesern nicht unbedingt Namen wie z.B. „Tairrdelbach Ua Conchobair“ zumuten
kann. Deswegen habe ich mich bei den komplizierten Namen für jene Schreibweise
entschieden habe, die der gälischen Form – spricht man sie denn laut aus – am
nächsten kommt: So wurde jemand wie der Hochkönig Ruaidrí bei mir zu Ruari. Was
die Sache so kompliziert macht, ist die Tatsache, dass es von vielen Namen
nicht einfach nur die „gälische“ oder die „englische“ Form gibt, sondern
etliche dazwischen, manchmal bis zu sechs.
Bei den fiktiven Figuren habe ich großteils versucht,
einfach auszusprechende Namen zu verwenden – z.B. Ascall, Pól etc. Dass
allerdings auch bei diesen die Aussprache oft vom geschriebenen Wort abweicht,
ließ sich nicht immer vermeiden. Wobei es doch o.k. ist, wenn der Leser –
sobald er z.B. Éilís liest – „Alice“ im Kopf hat, nicht „Älisch“.
Etwas inkonsequent war ich – zugegebenermaßen – bei den
Ortsnamen. Bei diesen habe ich fast immer die englische Namensform gewählt,
denn da einige Leser Irland kennen und sich auf der Insel gut orientieren
können, wäre es mir als Schikane erschienen, statt des Flusses Liffey „An Life“
oder statt Wexford „Loch Garman“ zu schreiben.
Die Figuren sind größtenteils gleichgestellt. Eine
Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenfiguren gibt es kaum, da die Handlung
stark verwoben ist und alle Figuren einen Zusammenhang haben oder sich
irgendwann „treffen“. Wie haben Sie da geschrieben bzw. geplottet
(personenbezogen oder chronologisch)?
Durch die historischen Ereignisse war ein Grundgerüst
vorgegeben – d.h. ich wusste ganz genau, was in welchem der sechs Jahre, die
die normannische Eroberung währte, passiert. Beim Plotten bin ich so vorgegangen,
dass ich zunächst – auf Basis der Historie – die einzelnen Handlungsstränge
entwickelt habe, um diese dann nach und nach zu verweben. Ich gehöre generell
zu den Autorinnen, die extrem viel planen, ehe sie zu schreiben beginnen – und
bei dieser Fülle an historischen Fakten und Figuren hast sich das besonders gut
bewährt.
 
Wie lange dauerte das Schreiben dieses Buches?
Von der Erstellung des Exposés bis zur Abgabe vergingen
knapp zwei Jahre, wobei ich in dieser Zeit nicht ausschließlich an diesem Buch
gearbeitet habe. Und natürlich bin ich mit dem Stoff schon lange zuvor
schwanger gegangen.

© Sonja Kochmann

 

Ich habe Gerüchte gehört, dass es eine Fortsetzung mit dem
Titel „Wolf und Rabe“ geben wird…..
Es gibt definitiv eine Fortsetzung, wobei ich diese nicht
unbedingt so bezeichnen würde. Es werden zwar sehr viele Protagonisten von den
„Herren der Grünen Insel“ wieder auftauchen bzw. wird deren Geschichte dann
auch zu Ende erzählt, doch mein zweiter Irlandroman ist so angelegt, dass man
ihn auch als eigenständiges Buch lesen und verstehen kann. Der Titel „Wolf und
Rabe“ ist tatsächlich der Arbeitstitel – allerdings ist er vom Verlag noch
nicht abgesegnet worden. Gut möglich also, dass am Ende was ganz anderes daraus
wird.
Das Buch ist wirklich ein dickes Buch und sorgt auch für
Muskelarbeit beim Lesen. Wie stehen Sie zum Ebook?
Ich selbst habe mich bis jetzt noch nicht mit Ebooks
anfreunden können, obwohl ich ihre Vorteile klar sehe. In diesem Fall wäre es
in der Tat die muskelschonendere Variante – der Roman wiegt immerhin mehr als
ein Kilo 🙂 – allerdings ist es gerade bei diesem Buch manchmal gut, zum
Personenverzeichnis vorblättern zu können.
Wie gefällt Ihnen der Buchtrailer?
Ich bin sehr begeistert davon. Klar, die Burg, die man
sieht, hätte man im 12. Jahrhundert nicht in Irland vorgefunden und die Cliffs
of Moher, auf die man einen kurzen Blick erhascht, kommen in meinem Roman gar
nicht vor – aber ich finde, der Trailer fängt die Grundstimmung des Buchs
perfekt ein. Für mich bedeutet es immer wieder Gänsehaut pur, ihn zu sehen.
Haben Sie neben dem Schreiben noch Hobbys?
Ich reise sehr gerne, bin bekennender Serienjunkie und
zwinge mich regelmäßig zur körperlichen Ertüchtigung 😉
Wollten Sie schon immer Autor/in werden?
Ich glaube, ich war nie etwas anderes – deswegen konnte ich
auch nichts anderes werden 🙂 Wenn ich als kleines Kind in der Badewanne saß,
habe ich mit zwei Zahnbürsten irgendwelche erfundenen Geschichten nachgespielt.
Von daher gilt: Das Geschichtenerzählen ist nicht das, was ich tue, sondern das,
was ich bin.

© Sonja Kochmann

 

Vielen Dank für dieses aufschlussreiche Interview und ich bin gespannt auf weitere Werke. 

 

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